Interview mit Konstantin Wecker

image (2)Interview mit dem großen Liedermacher und Isarliebhaber Konstantin Wecker am 22. Juni von Sina Weber, Isarlust e.V. und Maximilian Schmid, RCC Seminar „Isarflussbad“


Sina: Du kennst den Isarlust e.V. ja schon ein bisschen über Play Me, I´m Your´s, wo du Juror bist. Wir setzen uns dafür ein, dass der innerstädtische Isarraum in München aufgewertet wird und rufen dafür einige Kunst- und Kulturprojekte ins Leben. Eine Frage, die uns immer wieder beschäftigt, ist: wie sollten öffentliche Räume eigentlich bestellt sein und was kann öffentlicher Raum in München – oder überhaupt – leisten?

Konstantin: Jedes Gegenangebot zum öffentlichen Raum, der einer ausdrücklich auf wirtschaftlichem Interesse gerichteten Gesellschaft dient, ist zu befürworten. Jede Form von kultureller Begegnung, bei der man sich unterhalten kann, sollte gefördert werden. Es sollten Formen der Begegnung gefördert werden, die einen immer wieder staunen lassen. Das kann ein Kunstobjekt in einer ihm fremden Umgebung sein – auch das bietet einen Anlass zu einem Gespräch miteinander. Doch Alles, was Kultur ausmacht, kann einfach nur aus Vielfalt bestehen. Je mehr wir solche Plätze schaffen, desto besser. Ich glaube, dass die Menschen Sehnsucht nach solchen Begegnungen haben, sich aber oftmals nur in Partyclubs begegnen.  Im Grunde geht es darum, Orte der Begegnung zu schaffen, die nicht wirtschaftlichen Interessen dienen.

Max: Und inwiefern kann dann die Isar so ein Ort sein? Oder ist sie das vielleicht schon?

Konstantin: Die Isar ist eine Göttin. Flüsse haben für mich etwas unglaublich Magisches. Ein Fluss ist für mich ein Symbol des Lebens. Man sitzt am Ufer, schaut hinaus und erlebt wie jede Millisekunde das Gleiche, aber immer in anderer Form, an uns vorbeifließt. Alles bleibt im Fluss. Wir werden es aber schaffen, auch das mit unserem Wirtschaftssystem noch zu zerstören, wenn nicht Einhalt geboten wird.

Meine Mama hat mir das Schwimmen gelehrt in der Isar. Das war gefährlich und das würde sich eine Mutter heute nicht mehr trauen. Damals gab´s keine Schwimmreifen und sie hat mich einfach auf den Rücken genommen und mich dann ins Wasser geschmissen. Und meine Erinnerung ist: Schulranzen in die Ecke und runter an die Isar. Und dann haben wir uns treiben lassen. Da war ein riesengroßer Wasserfall, größer als der jetzige und es war ein Damm da und dann gab es noch diese unheimlich knappen, feschen DLRG-Höschen – damals hatte man nicht diese meterlangen Badehosen, die ich völlig unpraktisch finde. Man bekam  ein Badekäppchen, wenn man den Leistungsschein gemacht hatte, und konnte als „Lebensretter“ herumlaufen. In der Isar gab es Stellen, an denen Felsen waren, wo du nicht reinspringen durftest. Aber wir wussten, wo wir reinspringen konnten.

Sina: Wem gehört eigentlich die Isar?

Konstantin: Die gehörte natürlich uns. Ich war 14 Jahre alt damals und habe die Isar geliebt. Ähnlich ist eine Liebe zum Meer, weil es scheinbar unendlich ist. Der Fluss ist es auch. Da lernt man eben auch, wenn man ein bisschen älter wird, die Bescheidenheit, dass einem so etwas nicht gehören kann, dass es keine Heimat gibt, für die es einen Besitzanspruch gibt. Dass es nur die Freude gibt, das in der Kindheit erleben zu dürfen und sich vielleicht später wieder daran zu erfreuen. Für mich ist der Fluss auch in dieser Hinsicht ein Symbol dafür, dass du nichts festhalten kannst – auch Schönheit nicht, auch Liebe nicht.

Max: Was ist die Rolle der Isar, die sie in München einnimmt?

Konstantin: Für mich persönlich hat die Isar – und das meinte ich mit der Göttin – etwas, was mein tiefstes Inneres immer bewegt hat. Sie ist für mich mehr Heimat als vieles andere. Ich  spreche von den Kindheitszauber-Orten, den Klängen, den Gerüchen. Heimat ist noch da, wo man sich selbst begegnet.

Max: Gibt es auch irgendwas, was dich an der Isar stört?

Konstantin: Jetzt wird sie ja renaturiert. Ihr müsst euch mal vorstellen, dass wir noch in der Isar gebadet hatten, als sie richtig dreckig war. Wir haben hier jeden Sommer gebadet. Uns war das egal. Irgendwann haben wir schon angefangen uns zu beschweren, uns gefragt, wo der ganze Dreck herkommt. Heute ist die Isar nicht mehr dreckig und das ist einer bürgernahen Politik zu verdanken. Es gibt schon auch Sachen, die man mal loben kann. Das ist wirklich toll, und ich glaube auch, dass man aus der Isar sogar trinken kann. Deshalb gefällt mir auch die Idee des Flussbades. Ich wäre nicht darauf gekommen. Für uns Kinder war die ganze Isar ein Flussbad. Das könnte eine echte Bereicherung werden für München. Wo ist das geplant?

Sina: In der Großen Isar, wo sie in einem Kanal fließt und eingepfercht ist zwischen den Kaimauern, zwischen Patentämtern und dem Dt. Museum und zwischen Reichenbach- und Ludwigsbrücke. Das ist der Raum, wo es optimal wäre, weil es aus ökologischen Gründen funktionieren würde – denn die kleine Isar ist ja Naturschutzgebiet, da wagen wir uns überhaupt nicht ran. Deshalb sagen wir: kleine Isar ist Natur und große Isar ist eher urbaner und kultureller. Die Fließgeschwindigkeit ist da auch geringer und so kann man dort ohne Probleme auch mal ein bisschen gegen den Strom schwimmen. Also dieser Bereich ist eigentlich schon ein Flussbad, aber es fehlen halt die Zugänge.

Max: Ja, an manchen Stellen ist sogar Stacheldraht.

Konstantin: Also wir sind schon oft am Kanal geschwommen. Immer runter vom Museum aus. Da gab´s diese Feuerwehrleitern. Da sind wir rein und haben uns hinunter treiben lassen, bis zum Wasserfall, bis zur Maximilianstraße.

Sina: Man muss natürlich in diesem Bereich schon aufpassen, weil irgendwann nördlich der Ludwigsbrücke, da kommen irgendwann die ganzen Wehranalgen. Deshalb ist es auch ziemlich aufwändig, für´s Schwimmen in diesem Bereich eine Genehmigung zu bekommen. Sicherheit ist natürlich sehr wichtig.

Konstantin: Das ist natürlich die Angst der Stadt, dass bei so einem Flussbad viel mehr passieren könnte. Du kannst es ja auch nicht abgrenzen – oder wie macht man das?

Sina: Es gibt da schon so Mechanismen, zum Beispiel in Zürich gibt´s da ein Flussbad mit einer Art Rechen am Ende und das ist eigentlich eh der größte Spaß, weil man hängt sich dann in dieses Ding rein, man kriegt die Strömung ab und dann kann man an Leitern raussteigen. Ich mein das muss eben alles geprüft werden, ob das machbar ist, mit Hochwasser und Strömung, aber es gibt da Ideen.

Konstantin: In Zürich bin ich auch schon in einem Flussbad geschwommen.

Sina: Die haben ja fünf Stück – der Wahnsinn.

Konstantin: Wo es ein Flussbad gibt, war ich schon drin. Im Rhein gibt’s auch eins.

Sina: In Basel? Da gibt es ja das Rhein-Schwimmen, ja da sind tausend Leute im Rhein, alles bunt und irgendwie denkt man sich: ihr traut euch wirklich, da rein zu gehen? In diesen riesen Fluss? Und hier an der Isar ist man so unglaublich vorsichtig damit. Aber das ist glaub ich auch so etwas, was im Bewusstsein der Leute ist, da die Isar doch immer wieder Hochwasser führt und es in der Vergangenheit immer mal wieder Gefahren und Zerstörungen gab, dass die Isar auch eine Gefahr darstellen kann.

Aber zurück zum Schwimmen: dann sind wir quasi diesen Sommer gar nicht die ersten, die seit 1839 in diesem Bereich Schwimmen, sondern du bist da mal zwischendrin geschwommen?

Konstantin: Joa und ein paar Spezls von mir. Das kann man ruhig so sagen.

Max: Ja das können wir uns dann wohl nicht auf die Fahne schreiben. Vielleicht sind wir offiziell und mit Genehmigung die ersten.

Konstantin: Bei uns war das damals streng verboten. Es war überall verboten. Es ist ja auch am Eisbach noch offiziell verboten. Das ist schon eine schöne Strecke.

Sina: Das ist vielleicht auch das charmante am geplanten Flussbad-Bereich, weil es ja da schon auch urban ist. Am Eisbach, da hast du das naturnahe im Englischen Garten und in der Isar schwimmt man aber plötzlich mal am Deutschen Museum vorbei, das gibt dir eine andere Perspektive auf die Stadt. Das war schon toll, den Turm mal von unten zu sehen. Ich finde das gehört ja auch zu einer Großstadt dazu, dass man Freiräume zugänglich macht. Würdest du sagen, dass die Stadt sagen sollte: Wir liberalisieren das Baden, oder soll alles so bleiben und sollen die Bürger einfach initiativer sein?

Konstantin: Also du darfst mich nicht fragen, ob ich für Liberalisierung bin! (lacht) Aber ich muss auch sagen, ich kann die Stadt verstehen. Da, wo jetzt gesurft wird, da wurde davor auch schon gesurft. Wir sind damals manchmal auch nackt runter geschwommen und nackt mit der Straßenbahn wieder zurückgefahren. Wir waren nicht die einzigen und es war offensichtlich, dass wir keine Fahrkarten dabei hatten.
Sina: Da haben die Leute aber bestimmt blöd geschaut?

Konstantin: Das war eigentlich normal. Ich würde es heute jedoch nicht mehr machen.

Sina: Am Flaucher kriegt man ja auch noch einige zu Gesicht und im Englischen Garten auch. Das bleibt ja irgendwie erhalten.

Konstantin: Ja, und es gab auch immer schon ein paar Spinner. Doch die hat München schon immer toleriert. Wie gesagt, ich kann in dem Punkt die Stadt verstehen. Stell dir mal vor, wir hätten Zustände wie in Amerika, wo beim Tod eines Menschen Milliardenklagen auf die Stadt zukommen würden. Ich finde die Idee des Flussbades sehr schön.

Sina: Ja ich glaub der Platz der bedarf auch ein bisschen Gestaltung, weil sonst fährt da der Verkehr vorbei und es ist grau und das Deutsche Museum präsentiert sich ja auch nicht nach außen, da ist ja nichts. Ja, noch ist das Flussbad eine Vision, die diesen Sommer ja so ein bisschen konkret wird, mit unserem ersten Testschwimmen. Hast du für uns noch Tipps, die wir für die Umsetzung unserer Vision im Kopf haben sollten?

Konstantin: Ihr macht ja schon sehr viel! Und es ist die einzige Möglichkeit, Dinge einfach einmal auszuprobieren.

Sina: Ja, wir bleiben auf jeden Fall dran!